Liebe. Tod. Obsession.
Boileau-Narcejacs D’Entre les Morts
Liebe
Der Anwalt Roger Flavières, wegen seiner Höhenangst vom Kriegsdienst freigestellt, wird vom Industriellen Paul Gévigne, einem Jugendfreund, gebeten, auf dessen Frau aufzupassen. Die hübsche Madeileine Gévigne irrt ziellos durch Paris und verfällt immer wieder in Tagträume, an die sie sich später nicht erinnern kann. Flavières lässt sich nur widerwillig auf die Aufgabe ein und beginnt, Madeleine auf ihren Wanderschaften zu folgen. Je näher er ihr dabei kommt, desto mehr ist er von ihr fasziniert, denn es scheint so, als würde sich der Geist der verstorbenen Pauline Lagerlac über sie legen und in den Wahnsinn treiben. Oder in den Selbstmord, wie Ehemann Paul befürchtet. Als der Anwalt die hübsche Frau vor dem Ertrinken bewahrt, verliebt er sich schließlich in sie. Die beiden verbringen Stunden miteinander, während er verzweifelt gegen Madeleins Traurigkeit und den Schatten der Vergangenheit ankämpft.
Als die Gévignes schließlich Paris verlassen wollen, unternimmt Roger einen letzten Ausflug mit seiner Liebe Madeleine. In das kleine Dörfchen Saint-Nicolas mit seiner idyllischen Kirche. Dort will sie den Glockenturm betreten. Sie eilt hinauf, während Roger ihr nicht folgen kann. Seine Höhenangst ist unüberwindbar. In wilder Angst müht er sich hinauf, aber es ist zu spät. Madeleine stürzt sich vom Dach in den Tod.
In seinem Kummer und Frust flieht Flavières vom Tatort und schließlich die nächsten Jahre aus Paris.
Tod
Als er zurückkehrt, ist er innerlich tot. Nur Feigheit und Alkohol halten ihn davon ab, sich das Leben zu nehmen. Der Verlust Madeleines hat ihn endgültig gebrochen, seine Gesundheit ist angeschlagen. Doch er kann nicht von ihr lassen und frischt die Erinnerungen auf, folgt der Spur der Verstorbenen, nur um zu erfahren, dass auch ihr Mann im Krieg ums Leben kam und die Grabstätte der Gévignes während eines Bombenangriffs zerstört wurde. Endlich ist er frei, bereit in Kur zu gehen, sie endgültig zu vergessen. Bis er in einer Wochenschau eine Frau entdeckt, die beinahe aussieht wie Madeleine. Das Mädchen Renée. Er stöbert sie auf und macht sie zu seiner Geliebten. Aber seine Qualen sind damit nicht gelindert, seine Besessenheit nimmt zu, je mehr er sich an Madeleine erinnert. Ohne auf Renées Empfindungen zu achten, beginnt er damit, sie zu einem Ebenbild seiner einstigen Liebe zu machen.
Und dann entdeckt er etwas, dass ein tiefes Misstrauen in ihm weckt. War Renée vielleicht einmal Madeleine?
Obsession
Die etwas eigenwillige Art einer Dreiecksbeziehung – Madeleine, die sich für die tote Pauline hält und bald selbst ins Reich der Toten einkehrt, um Renèe Platz zu machen, die nun wiederum Madeleine wird. Und Roger, der sich in Madeleine verliebt, ihren Tod nicht verhindern kann und in seiner Besessenheit aus einer schwachen Renèe eine zweite Madeleine formt.
Kein Wunder, dass die Romanvorlage der beiden Franzosen Pierre Boileau und Thomas Narcejac Regiegenie Alfred Hitchcock inspirierte, seine Meisterwerk Vertigo – Aus dem Reich der Toten zu inszenieren. Hitchcock selbst war Besessen von seiner Frauenvorstellung und berüchtigt dafür, aus seinen Schauspielerinnen das Letzte herauszuziehen, um sie in der Gestalt ins Licht zu setzen, wie er es sich vorstellte. In der Geschichte um eine Frau, die von den Toten besessen scheint und nach deren Selbstmord der Protagonist selbst eine Obsession für eine Tote entwickelt, fand Hitchcock die Zutaten für seinen außergewöhnlichen Film.
Im Roman ist es Paris während der Kriegszeit, gezeichnet von Angst und Depressionen, in denen sich die unglückliche Liebesgeschichte entwickelt. Darum die idyllischen Vororte und traumhaften Landschaften, durch die sich der gebeutelte Roger schleppt, um dem Schatten der Toten zu erliegen.
Fakten
Vertigo – Von den Toten auferstanden
Originaltitel: D’Entre les Morts, 1958
Pierre Boileau & Thomas Narcejac