Ein junges Mädchen wird in ihrer Wohnung brutal ermordet, der Täter noch auf der Straße gefasst. Es ist ihr Mitbewohner, der nackt und blutüberströmt durch die Straße taumelt und ein Geständnis ablegt, ehe er sich in seiner Zelle erhängt. Für das NYPD ist der Fall damit erledigt, noch eher richtig eröffnet wurde. Nicht aber für den Vater des Mädchens, der sich an den Exbullen Matthew Scudder wendet, um etwas über die jüngste Vergangenheit seiner Tochter in Erfahrung zu bringen. Denn seit das Mädchen vor Jahren die Uni verlassen hatte, wusste die Familie nicht, was sie trieb. Wie lebte die Tote? Warum musste sie sterben? Scudder, der Schnüffeler ohne Lizenz, nimmt den Auftrag an und beginnt, in der Vergangenheit der Ermordeten zu wühlen. Denn New York hält genügend Abgründe für das Mädchen und auch für Scudder selbst bereit.
Kommentar
Block ist einer der Großmeister der amerikanischen Kriminalliteratur. Seine Karriere reicht in die Sechziger zurück und umfasst neben zahlreichen Krimis auch etliche Serienhelden – z.B. Einbrecher und Buchhändler Bernie Rhodenbarr oder den alkoholkranken Privatdetektiv Matthew Scudder – von dessen Romanen u.a. Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones (2014) mit Liam Neeson verfilmt wurde. Mit seinem Debüt Die Sünden der Väter (Mord unter vier Augen) von 1976, mischte Scudder das New York der Siebziger auf. Mit seiner tragischen Vergangenheit als Expolizist, seiner kaputten Ehe und der durchwachsenen Beziehung zu seinen Kindern, trägt er die dunklen Grundzüge eines hartgesottenen Schnüfflers in sich. Die Alkoholsucht, die zu seinem stärksten Dämon werden soll, deutet sich hier nur durch lange Abende in Bars und Kaffee mit Schuss zum Frühstück an. Im Gegensatz zu seinen Genrevätern wir Sam Spade oder Philip Marlowe verzichtet Scudder auf eine Lizenz und einen ritterlichen Ehrenkodex. Bestechung und die Manipulation von Beweismitteln sind Teil des Lebens im Moloch New York, was er einem jungen Bullen recht einleuchtend zu Beginn des Romans erläutert. Denn wie nicht anders zu erwarten, sind die Dinge hier nicht einfach schwarz oder weiß, sondern oft schmutziggrau. Und auch hinter dem scheinbar sinnlosen Mord an dem junge Mädchen lauern finstere Abgründe.
Mit Die Sünden der Väter liegt nun der erste Scudder in Deutsch vor. Blocks reduzierte und direkte Art wurde dabei sehr gut von Stefan Mommertz übersetzt, zudem wurde die Ausgabe um ein interessantes Vorwort von Stephen King ergänzt. Das ganze initiiert von Block selbst, der die weiteren Scudder-Romane nun nach und nach erneut dem deutschsprachigen Mark zugänglich machen möchte. Geplant sind aktuell zwei Romane pro Jahr, ergänzt von Kurzgeschichten aus The Night and the Music.
Fazit
Schon allein um dem, was hartgesottene Detektive angeht, muffigen deutschen Markt einen der Klassiker wieder zugänglich zu machen, sollte man sich an Die Sünden der Väter wagen und den Weg für weitere Bücher der Serie ermöglichen. Ganz abgesehen davon, dass man mit dem Scudder-Erstling eine harte, schnelle Kriminalgeschichte erhält, die einen guten Einblick in das New York der Siebziger liefert. Zudem der Beginn von Scudders Absturz in die lange, dunkle Alkoholsucht.
Fakten
Die Sünden der Väter (Mord unter vier Augen)
Originaltitel: The Sins of the Fathers, 1976
Lawrence Block
Zu bekommen
