You’ll never leave this island.
1954: Vor der Küste von Massachusetts liegt Shutter Island, eine ehemalige Festung, die vom ehrgeizigen Doktor Cawley (Ben Kingsley) in eine Anstalt für bis dato hoffnungslose Fälle umgewandelt wurde. Ein Großteil der Patienten sind Mörder, die von anderer Stelle bereits aufgegeben wurden. Mit einer revolutionären Technik planen Cawley und sein Stab, auch diese Menschen zu retten. Und falls es ihnen nicht gelingt, mittels Lobotomie wenigstens ein wenig Ruhe verschaffen zu können.
Als die US-Marshals Teddy Daniels (Leonardo Di Caprio) und Chuck Aule (Mark Ruffalo) auf der Insel anlegen, um das geheimnisvolle Verschwinden einer Patientin aufzuklären, braut sich bereits ein heftiger Sturm zusammen, der das Fortkommen von Shutter Island unmöglich machen wird. Für die beiden Ermittler ein nervenaufreibender Besuch, denn gerade Teddy leidet durch seine Erinnerungen an die Befreiung des KZ Dachau und dem Feuertod seiner Ehefrau. Während die beiden nach der verschwundenen Patientin suchen, die wegen der Ermordung ihrer drei Kinder eingeliefert worden ist, legt sich das Netz von Wahnsinn und Misstrauen auch über die Marshals. Denn das Personal ist keineswegs kooperativ, die zahlreichen Wachleute unfreundlich und die Anstaltsleitung richtiggehend hinderlich. Als der Orkan mit voller Wucht über die Insel geht, spitzt sich die Lage zu. Welche Geheimnisse warten im abgesperrten Block C, in dem die brutalsten Verbrecher einsitzen? Sind die Ermittler gar einer grauenhaften Verschwörung auf der Spur? Befindet sich vielleicht der Mörder von Teddys Frau auf Shutter Island?
Malträtiert von schlimmer werdenden Alpträumen, Migräneattacken und Schwächeanfällen, muss Daniels alle Kraft aufwenden, nicht nur um den Fall zu lösen, sondern um überhaupt lebend von der Insel zu gelangen.
Kommentar
Don’t you get it? You’re a rat in a maze.
Mit eindrucksvollen Bildern fängt Shutter Island die Gefühle von Misstrauen, Paranoia und Wahnsinn ein – zum einen durch die Insellokalität und den Sturm selbst, zum anderen durch Überblendungen in Erinnerungen und Albträume. Schnell verwischen dabei Realität und Traum und geben Zweifeln und Unbehagen Raum. Was passiert wirklich im Sanatorium Ashcliffe? Welche Dämonen treiben den gequälten Teddy Daniels an? Wem kann er trauen? Was will er eigentlich? Ist er aus freien Stücken hier? Oder nur Opfer einer skrupellosen Verschwörung? Aus der Suche nach einer entflohenen Mörderin wird alsbald ein Hadern mit der eigenen Schuld.
Im politisch überdrehten Klima der 50er Jahre angesiedelter Thriller und eine weitere Zusammenarbeit zwischen Scorsese und DiCaprio. Die Paranoia der Kommunistenhatz, das Misstrauen gegenüber der Obrigkeit und vor allem die noch frischen Narben des Zweiten Weltkrieges, das alles kulminiert vor der Kulisse der ungastlichen Insel, rauen See, dem bleigrauen Himmel und dem Trakt der besonders gefährlichen Irren. Die Bilder sind einnehmend und spiegeln durch ihre Schwere die innere Welt des Protagonisten wieder. Die Grenzen zwischen Realität und Traum werden immer durchlässiger, bis Teddy Mühe hat, sich selbst zu trauen. DiCaprio überzeugt als zunehmend paranoider Antiheld, der gegen seine Frustration, Gewaltbereitschaft und Verzweiflung ankämpft. Mit ihm und den immer verworrener werdenden Ereignissen, hält Shutter Island den Spannungsbogen ohne Schwächen bis zum Schluss durch.
Einzig die finale Auflösung nimmt der Geschichte ein wenig Fahrt und bemüht sich zu langatmig, die Wahrheit zu erklären.
Fazit
Atmosphärischer, gut besetzter Thriller mit überraschender Wendung. Wer Hitchcocks Vertigo oder Andersons Der Maschinist mochte, wird sich auch für Shutter Island begeistern.
Spoiler
Whatever the hell’s going on here, it’s bad.
Man hat sehr schnell das Gefühl, dass etwas nicht stimmt mit der Geschichte. Und spätestens bei Teddys Begegnung mit der flüchtigen Rachel in einer Höhle ahnt man, dass die wahre Verschwörung keineswegs auf der Insel, sondern in seinem Hirn stattfindet. Hinweise darauf gibt es, wenn auch nur spärlich, bereits im Vorfeld. Die Figuren seiner Träume mischen sich wild in seiner konstruierten Vergangenheit, legen sich gegenseitig Sätze in den Mund. Ohne Shutter Island an Wirkung zu nehmen, erinnert das an den 2004 erschienen Maschinisten, auch wenn Christian Bale seiner Hauptfigur durch seine Abmagerungskur eine physische Intensität verleiht, die DiCaprio unmöglich erreichen kann. Allerdings ist Scorseses Werk nicht gar so verschachtelt. Lehanes Romanvorlage erschien ein Jahr vorher – scheinbar eine fruchtbare Zeit für Figuren, die mit ihrer eigenen Schuld nicht zu Rande kommen.
Ein paar der Fingerzeige:
- Schon in der ersten Einstellung gesteht Teddy, dass er mit großen Wasserflächen überhaupt nicht klar kommt – verständlich, wenn man weiß, wie seine Kinder gestorben sind.
- Während eines Verhörs bittet eine der Patientinnen um ein Glas Wasser, das kurz verschwunden ist, als sie daraus trinkt und dann wieder leer auf dem Tisch abgesetzt wird.
- George Noyce, einer der Insassen, bringt es ziemlich unverblümt auf den Punkt, in dem er Teddy selbst zum Schuldigen erklärt.
- “Why are you all wet, baby?” – die wiederkehrende Zeile wird nicht nur von Teddy gesprochen.
Fakten
Deutscher Titel: –
Alternative Titel & Arbeitstitel: Ashecliffe
Studio: Paramount Pictures
Regisseur: Martin Scorsese
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Mark Ruffalo, Ben Kingsley
Drehbuch: Laeta Kalogridis
Musik: Robbie Robertson
Basierend auf: Dennis Lehanes Shutter Island