I saw a broken down piece of machinery. Nothing but the buck, the bed and the bottle for the rest of my life. That’s what I saw.
Unter dem Deckmantel einer Handlungsreisenden klapperte die Prostituierte Kelly (Constance Towers) seit zwei Jahren amerikanische Kleinstädte ab. Im Gepäck ein Sortiment an “Angel Foam champagne”, von dem sie nie eine Flasche verkauft. Als sie in Grantville aus dem Bus steigt, geräte sie direkt an den örtlichen Bullen Griff (Anthony Eisley), der ihr erster und letzter Kunde wird. Am Morgen danach entschließt sich Kelly, ein neues Leben anzufangen, auch wenn Griff sie lieber im Bordell der skrupellosen Candy (Virginia Grey) sehen würde. Einen Job findet sie in der orthopädischen Abteilung des Krankenhauses als Betreuerin der kleinen Patienten. Mit viel Einfühlungsvermögen und Gutherzigkeit, gewinnt sie nicht nur die Kinder für sich, sondern auch den schwerreichen J.L. Grant (Michael Dante), Spross der Stadtgründer. Gegen alle Widerstände und mit einem Schuss aggressiven Auftretens, nimmt sie seinen Heiratsantrag ab. Sie scheint am Ziel all ihrer Träume zu sein. Doch längst sind über Grantville dunkle Wolken aufgezogen – Kellys Vergangenheit lässt sie nicht los, Griff setzt sie unter Druck, Candy streckt ihre Finger aus und ein Kinderschänder treibt sein Unwesen.
Kommentar
Fullers siebzehnter Film fängt an wie keiner vor ihm: mit sadistischer Vehemenz verprügelt die Prostituierte Kelly ihren besoffenen Luden. Als er ihr die Perücke vom kahl geschorenen Kopf reißt, drischt sie mit einem Schuh auf ihn ein, bis er reglos am Boden liegt. Dann zieht sie ihm das Geld aus der Tasche, zählt ihre $75 Dollar ab und beginnt sich vor dem Spiegel zurecht zu machen. Darüber legt sich der Vorspann. Ein fulminanter Einstieg in Fullers Filmwelt, die einem Alptraum gleicht, in der Korruption und Perversion wie schmutzige Wasserfarbe in das Bild der heilen Kleinstadtwelt tropfen. Und es ist genau diese typische Fuller-Mischung, die The Naked Kiss schwer verdaulich machen. Harte, gewalttätige Szenen wechseln mit stiller Kleinstadtidylle, der Kinderschänder lauscht dem schiefen Gesang des Kinderchors (den Fuller mit aller Gnadenlosigkeit sein Liedchen singen lässt). Dazwischen driften Charaktere, die selten ganz gut, meist selbst gezeichnet sind. Kelly mit ihrem Hang zum Gutmenschen, aber einer schmutzigen Vergangenheit und aggressiven Zügen. Griff, ein korrupte Bulle, der seinen Groll (oder seine Begierde) für Kelly kaum in den Griff bekommt. Die alternde Puffmutter Candy, die mit Griffs Hilfe reihenweise dumme Landeier zum Anschaffen bringt. Der glatte Grant, den seine eigenen Dämonen verfolgen.
Wie schon in Shock Corridor aus dem Jahr davor, brennt Fuller dem Zuschauer förmlich ein paar Szenen ins Hirn – der drastische Einstieg, aber vor allem der Augenblick, als Kellys Träume totgeschlagen auf dem Boden liegen und ihr das neue Leben, die Hochzeit und ihre Hoffnungen entgleiten. Auf Shock Corridor spielt Fuller übrigens mehrmals an – als Kelly in Grantville aus dem Bus steigt, wird im Kino gerade selbiger Film gezeigt. Als sie über ihre vergangenen Beziehungen spricht, klagt sie, dass ein Kerl, den sie geküsst hat, nun in der Klapsmühle sitzt. Und als sie im Park auf der Bank sitzt, liest sie The Dark Page, einen Roman von Fuller selbst, der als Vorlage für Phil Karlson Scandal Sheet (1952) diente.
Fakten
Deutscher Titel: Der Nackte Kuß
Alternative Titel & Arbeitstitel: The Iron Kiss
Studio: Allied Artists
Regisseur: Samuel Fuller
Darsteller: Constance Towers, Anthony Eisley, Michael Dante
Drehbuch: Samuel Fuller
Musik: Paul Dunlap
Basierend auf: –