Der scheue Charlie Kohler (Charles Aznavour) fristet sein Dasein als Klavierspieler in einem kleinen Tanzlokal. Jeden Abend spielt er, unbeteiligt für das Treiben um sich herum. Als nach vier Jahren sein Bruder Chico (Albert Rémy) auftaucht und von zwei Gangstern verfolgt wird, verhilft ihm Charlie widerwillig zur Flucht. Damit hat er selbst die überdrehten Ganoven Momo (Claude Mansard) und Ernest (Daniel Boulanger) am Hals, die einen bedrohlichen Schatten auf seine aufkeimende Liebe zur Kellnerin Léna (Marie Dubois) werfen. Nicht genug damit, dass diese Beziehung ihn an ein dunkles Kapitel aus seiner Vergangenheit erinnert, den Tod seiner ersten Frau, spitz sich die Lage mit einer Entführung zu.
Kommentar
François Truffaut, der wie Godard und Chabrol die französische Nouvelle Vague mit cineastischem Leben füllte, wagte sich in seiner zweiten Regiearbeit an amerikanischen Stoff heran – die Romanvorlage von David Goodis Down There, den er nach den Dreharbeiten sogar kurz kennen lernte. Nach seinem erfolgreichen Les Quatre cents coups (1959) war das Melodram um den einsamen und schüchternen Pianisten ein ungewöhnlicher Schritt, den er mit viel Experimentierfreude tat. Rückblenden, Gedankensprünge und ungewöhnliche Kamerafahrten umreißen das seltsame Leben des Charlie Kohler, der vor seiner Vergangenheit floh, nur um am Ende wieder von ihr eingeholt zu werden. Es ist sein Scheitern und seine Unfähigkeit zu handeln, gleichzeitig seine Beziehung zu den Frauen, die ihn zu einer tragischen Figur machen, der am Ende nur die schwarzen und weißen Tasten bleiben. Dazwischen streut Truffaut komödiantische Einlagen – witzige Wortgefechte und amüsante Einblendungen (“Und wenn ich lüge, soll meine Mutter auf der Stelle tot umfallen!”), aber auch lange Passagen des Schweigens, die Tirez sur le pianiste zu einem eigenen, teils märchenhaften Charakter verhelfen. Die Adaption in die französischen Breiten tut der Geschichte, die (wie zumeist bei Goodis) ursprünglich in Philadelphia angesiedelt war, keinen Schaden. Sie ist in der Eigenwilligkeit ihrer Figuren und in der Tragik der Ereignisse losgelöst, universell.
Fakten
Deutscher Titel: Schießen Sie auf den Pianisten
Alternative Titel & Arbeitstitel: Shoot the Pianist, Shoot the Piano Player
Studio: Les Films de la Pléiade
Regisseur: François Truffaut
Darsteller: Charles Aznavour, Marie Dubois, Albert Rémy, Nicole Berger
Drehbuch: François Truffaut und Marcel Moussy
Musik: Georges Delerue
Basierend auf: David Goodis Down There