Miami Beach, Tropical Moons Hotel – ein Ort, so heruntergekommen, wie seine Bewohner. Die junge Schriftstellerin Jules versucht hier verzweifelt, sich den ersten Roman aus der Seele zu pressen. Doch stattdessen sind es nur die Einsamkeit und der Alkohol, die ihr Dasein bestimmen. Und Renata, die nebenan wohnt, und deren freizügigem Liebesleben sie durch ein Loch in der Wand lauscht. Denn Rennie ist der einzige Lichtblick inmitten des Hotels – exotisch, unbekümmert und mit einer Ausstrahlung gesegnet, die Männern und Frauen unweigerlich den Kopf verdreht. So auch Jules. So auch Richard, der für Renata sein sicheres Leben als Dozent und Dichter in den Dreck tritt und sich in eine fatale Abhängigkeit begibt. So auch Francisco, Rennies Liebhaber, der einzige, der scheinbar etwas Distanz zu ihr aufbringen kann. Fast könnten die Tage und Nächte in Miami Beach ewig andauern – ein Reigen aus Sex, Alkohol und Drogen. Doch verzerrte Liebe und Obsession laden die Stimmung auf, die sich nur in einem Hurrikan aus Gewalt und Tod entladen kann.
Kommentar
Sex, Drogen und Mord an der Küste Miamis. Renate ist die eigentliche Sonne, untergegangen in einem schäbigen Hotel, ihr Strahlen zieht die Verlorenen und Nachtschwärmer an, ihre Hitze brennt ihnen die Klarheit aus den Gedanken. Richard, Jules, Francesco – sie alle umkreisen die exotische Schöne, nur um sich unweigerlich an ihr zu verbrennen.
Vicki beweist sich als Königin des erotic noir, die Zeilen sind aufgeladen mit einer knisternden, obsessiven Erotik, die einnimmt wie ein Gedicht mit grausamem Unterton. Denn jeder Anflug von Schönheit wirft Schatten, hinterlässt haarfeine Risse in den Fassaden der Protagonisten, bis aus diesen etwas Dunkles hervorbricht.
Interessant ist die Figur der Renata auch als Famme fatale, die einen weiten Weg von ihren Ursprüngen in den Film noirs der vierziger und fünfziger Jahre bis in die Jetztzeit hinter sich gebracht hat. War sie in den Anfängen noch die Nebenfigur zum Antihelden, der an ihr zerbrach, ist sie hier erstark und unabhängig. Geld, Sex und Mord sind für sie keineswegs mehr ultimative Triebkraft, sondern Mittel, um zu überleben. Weder wird Renata von den Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt, noch droht ihr am Ende das Scheitern. Das macht sie ungemein gefährlicher als ihre Vorgängerinnen.
Besteht Aussicht, Cruel Poetry in naher Zukunft auf dem deutschen Markt zu finden? Vermutlich nicht. Zum einen ist es in diesen Landen – wie gewöhnlich – um Noir-Literatur eher spärlich bestellt, zum anderen dürfte die Einordnung von Vickis Werk schwierig werden. Denn als lockerleichter Erotikroman taugt die blutige Story zum Glück auch nicht.
Fakten
Cruel Poetry
Originaltitel: Cruel Poetry, 2007
Vicki Hendricks