Als sich eine Schar junger Hippies im französischen Dörfchen Saint-Vincent niederlässt, bringt das Bewegung in die kleine Gemeinschaft aus bodenständigen Landmenschen. So etwas hat es noch nie gegeben! Schlagen die ihr Lager aus bunten Zelten doch einfach auf einer nahen Wiese auf. Besitzsteritigkeiten über das Grasland zum Trotz. Der ungenierte Haufen aus Männer, Frauen und Kindern schert sich nicht darum, auch nicht um die Moral. Die Hippies, Fahnenflüchtigen und Buddhisten frönen der freien Liebe! Donnerwetter! Aber so ganz unsympathisch sind sie den Dörflern nicht. Immerhin verstehen sie zu Trinken und zu Feiern. Und etwas Geld bringen sie durch ihr Handwerk auch mit. Sollen sie doch für eine Weile bleiben, man wird sich schon arrangieren und ansonsten passiert in Saint-Vincent eigentlich nie etwas. Eigentlich…
Denn am nächsten Tag wird die Leicher der alten Jungfer de Sébillet gefunden. Erwürgt! Nicht genug damit, dass die Polizei nun im Dorf herum schnüffelt, auch der zwielichtige Erbe der alten Dame und ein halbseidener ehemaliger Dorfbewohner samt brutalen Bodyguards taucht auf. Und die Touristen! Denn so ein Mord, der zieht Schaulustige an.
Da ist ordentlich was los im Dorf! Und es wird noch wilder! Jemand will die Hippies vom Land vertreiben, ein weiterer Mord geschieht, noch mehr Polizei taucht auf, und auch die gemächlichen Dörfler sind nicht so unscheinbar, wie es scheint. Denn hinter den bröckelnden Fassenden der alten Häuser liegt so manches dunkle Geheimnis verscharrt.
Irgendwann beginnen die Ereignisse aus dem Ruder zu geraten, die Gemüter erhitzen sich, die Flinten werden geladen und als nach den drückenden Hitzetagen das Gewitter einsetzt, beginnt sie – die Nacht der kranken Hunde.
Kommentar
Wirklich gutes Ding. Ein französischer Country noir als Gegenentwurf zum oft urbanen Setting der Série Noire. Die zurückgebliebene, verschlafene, manchmal simple Weltsicht der kleinbürgerlichen Dorfbewohner tropft aus jeder Zeile. Ein Ich-Erzähler, der im Nachgang etwas Jim Thompson evoziert. Eine Atmosphäre, die später auch einen David Lynch inspiriert haben könnte. Ein verquerer Plot, der einem Woolrich-Hirn entsprungen zu sein scheint (oder vielleicht dem von James H. Chase?). Das Ganze zwar kurz und prägnant, aber doch voller Stimmung – Alt trifft auf Neu, Traditionalisten auf Alternative, Dorfgemeinschaft auf Städter. Das alles in der hübschen, französischen Provinz, in der man schon nach wenigen Seiten das Unheil wittern kann.
Notiz
Wieder mal ein kleines Meisterstück herausgegeben von Martin Compart – natürlich mit einem seiner legendären Nachworte. In dem ordnet Martin mal eben A.D.G.s Schaffen und seine fragwürdige politische Gesinnung in den französischen Kriminalroman ein und gibt nebenbei noch einen Überblick über die französische Série Noire, den Polar und Neo-Polar. Verdammt gut.
Fakten
Die Nacht der kranken Hunde
Originaltitel: La nuit des grands chiens malades, 1972
A.D.G. (Alain Fournier)
Zu bekommen
Natürlich direkt beim Elsinor Verlag.
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