Was sind schon Jahre? In der Dunkelheit klingen Bohren & der Club of Gore immer zeitlos. Da macht es nichts, dass ihr letztes Album Piano Nights bereits sechs zurückliegt. Patchouli Blue (2020) nuanciert den Sound der Band aus Mülheim an der Ruhr weiter. Nicht mehr in epischer Länge, nicht mehr gänzlich minimalistisch, viel vertüfftelter und (abgesehen von der Catch My Heart-Kollaboration mit Mike Patton) weiterhin stimmlos.
Kommentar
Total falsch – zu erwarten, das Bohren & der Club of Gore weiterhin in ihrem episch-minimalistischen Stil verharren. Und so fängt auch der Opener duster an, um dann ein kleines High in Form des Saxophons zu injizieren. Wie lange es den Hörer trägt, bleibt ihm selbst überlassen.
Verwirrung am Strand – ein zartes Verwirrspiel, teils melancholisch, aber für Bohren-Verhältnisse auch überraschend hoffnungsvoll.
Glaub mir kein Wort – nicht der Titel dieser Rezension. Beinahe klassischer Bohren Track. Die Lügen rinnen wir Regentropfen an einer schmutzigen Scheibe hinab. Dunkler, schwerer Sound.
Patchouli Blue – trauriges Saxophon verliert sich in dunklen Weiten. Purer Bohren-Sound, der dann in der Mitte ins Americana a la David Lynch abdriftet. Warum waren Bohren eigentlich nicht in der dritten Staffel Twin Peaks vertreten?
Deine Cousine – die sitzt in irgendeiner verrauchten Bar, irgendwann zwischen verendender Nacht und hervorkriechendem Tag. Die Band spielt völlig versunken vor sich hin, lässt die Gedanken deiner Cousine, ihre Ängste und Hoffnungen, durch den kalten Qualm aufsteigen.
Vergessen & Vorbei – alle machen in Retro. Da greifen sich Bohren ein paar zerfledderte Fäden aus den verstorbenen Achtzigern und weben sie in die dunkle Ewigkeit ihrer Musik. Die hat an dieser Stelle so etwas wie Beat und wird beinahe schon zu einem stressigen Musikstück. Aber nur beinahe.
Sollen es doch alle wissen – verkündet durch das Saxophon. Klassischer Dark-Ambient-Jazz.
Tief gesunken – ertrinken in einer futuristischen Stadt aus Neonlichtern. Großartiger Track. Erinnert mich vage an Rain in the Night aus dem Command & Conquer-Soundtrack.
Zwei Herzen aus Gold – die kann es nur in Mülheim an der Ruhr geben. Und sie tanzen seit einer Ewigkeit in einem heruntergekommenen Tanzlokal. Eng umschlungen. In ihrer Hoffnungslosigkeit geeint in Saxophon, Bass und Drums.
Sag mir, wie lang – 7:39. Einer der (sic) längeren Tracks auf Patchouli Blue. Etwas verspielter, sanfter, während im Hintergrund die Abgründe lauern. Mit einem gekonnten musikalischen Dreh in der Trackmitte, der einen geradewegs in ein Blad Runner-Szenario stößt.
Meine Welt ist schön – siehe Track 3. Augen zu und dem dröhnenden Intro lauschen.
Tracklist
- Total falsch
- Verwirrung am Strand
- Glaub mir kein Wort
- Patchouli Blue
- Deine Kusine
- Vergessen & Vorbei
- Sollen es doch alle wissen
- Tief gesunken
- Zwei Herzen aus Gold
- Sag mir, wie lang
- Meine Welt ist schön
Fazit
Patchouli Blue ist ein ziemlich cooles Teil. Typisch Bohren und doch mit ein paar neuen Impulsen.
Links
Website: http://www.bohrenundderclubofgore.de/
Album kaufen, stream, etc.: https://ffm.to/patchouliblue.oyd
Fakten
Patchouli Blue
Originaltitel: Patchouli Blue, 2020
Bohren & der Club of Gore