Er verlor seine Erinnerung und seine Existenz – nun müssen ihm ein ehemaliger Bankräuber, ein Schriftstellerzirkel und seine Bücher helfen, sein Leben zu rekonstruieren und gegen die Geister der Vergangenheit zu bestehen.
Was wie der Anreißer für eine hard-boiled Story klingt, ist die Lebensgeschichte von Dan J. Marlowe (1914-1986), der in den sechziger und siebziger Jahren zu den besten amerikanischen Kriminalschriftsellern zählte, die den Taschenbuchmarkt belieferten. Sein Das Spiel heißt Tod mit seinem Protagonisten Earl Drake traf mit seiner Härte und seinem dunklen Ende mitten in die schwarze Seele der Zeit. Marlowes Einschlag war sogar tief genug, dass Stephen King ihm einen Roman widmete. Mindestens ebenso spektakulär wie seine Kriminalromane, fächert sich das Leben des Dan J. Marlowe auf – von seiner Freundschaft mit dem verurteilten Bankräuber und späterem Schriftseller Al Nussbaum, seinen lokalpolitischen Aktivitäten, seinen Liebschaften, seinem Schaffen als Schriftsteller von Pornos bis hin zu seiner Amnesie, die ihn große Teile seines vorherigen Lebens vergessen und wieder ganz von vorne beginnen ließ.
Kommentar
Das Leben des nahezu vergessenen Noir-Autoren Dan J. Marlowe, zusammengesetzt vom ehemaligen US-Reporter Charles Kelly. Was sich selbst wie ein Kriminalroman liest, basiert auf einer intensiven Recherche, zu der Kelly einiges an Material heranzog. Von Briefen des Schriftstellers mit Freunden und Kollegen, dessen Arbeiten für Zeitungen und Zeitschriften, Gesprächen mit noch lebenden Bekannten, Informationen aus Zeitungsberichten und natürlich Marlowes eigenen Romanveröffentlichungen und Bemühungen. Dabei bezieht Kelly zu einem guten Teil auch das Leben von Marlowes Freund Al Nussbaum mit ein, erst Bankräuber, später Schriftsteller. Als Werdegang, seine Zeit im Knast, ihr erster Kontakt, die entstehende Freundschaft und gemeinsame WG-Zeit zusammen. Ihr Erfolge und oft vergeblichen Versuche, gemeinsam zu veröffentlichen, während im Hintergrund immer wieder das FBI auftauchte.
Kellys Arbeit zeichnet ein faszinierendes Bild von Marlowe, mit dessen knallharten Romanen auf der einen Seite, und seiner „Netter Mitbürger“-Art auf der anderen Seite, wenn er sich lokalpolitisch engagierte, oder seinem Tagesjob nachging. Dazwischen Affären, eine Vorliebe für Spanking, Mitgliedschaft in Literatenzirkeln, und schließlich seine Amnesie, die ihn noch einmal sein Leben neu beginnen ließ.
Fazit
Dan J. Marlowe hat in jedem Fall eine Biografie verdient – und mit Gunshots in Another Room: The Forgotten Life of Dan J. Marlowe liefert Charles Kelly auch die passende Fassung ab. Leidenschaftlich recherchiert, spannend geschrieben, mit dem Effekt, dass man beim Lesen direkt ein paar Marlowe-Romane aus dem Schrank holen will.
Links
hardboiledjournalist.com – Website von Charles Kelly
Fakten
Gunshots in Another Room: The Forgotten Life of Dan J. Marlowe
Originaltitel: Gunshots in Another Room: The Forgotten Life of Dan J. Marlowe, 2012
Charles Kelly
Ein Kommentar