Irland, 1923: Der Kriegsveteran Patrick Galloway wird von seinem Freund Jeremiah Covenant um Hilfe angefleht. Da Jeremiah ihm während des ersten Weltkriegs das Leben gerettet hat, reist Galloway, mittlerweile ein Experte für okkulte Phänomene, sofort auf den Landsitz der Covenants, einem uralten Landhaus inmitten verwunschener Hügel, rauer See und vergessener Ruinen. Sein Freund befindet sich in desolater Verfassung, gebeugt und krank, blickt Jeremiah dem Tod ins Auge. Nicht jedoch durch die Krankheit, sondern durch seine vier Geschwister, die ihm auch aus dem Grab heraus nach dem Leben trachten. Denn nachdem sie vor Jahren mit einem okkulten Buch experimentiert hatten, fiel die Familie einem schrecklichen Fluch zum Opfer. Nun suchen die Verwandten das Anwesen heim und in ihrem Schlepptau befinden sich Kreaturen, die direkt der Hölle entstiegen zu sein scheinen. Die Blutsaugende Lizbeth mit ihren heulenden Höllenhunden, der geisterhafte Künstler Aaron, das schwarze Schaf Ambrose mit seinen Meuchelmördern und die Erdhexe Bethany mit ihren Kannibalen. Doch trotz ihrer Monstrosität sind sie alle nur Sendboten eines weitaus schlimmeren Grauens – des unsterblichen Königs. Patrick braucht alle Feuerkraft und dunkle Magie, die er kriegen kann, um den Schrecken zu bezwingen, der ihn auf eine blutige Reise durch die Zeit und fremde Welten führt.
Kommentar
Ein verfluchtes Landhaus voll schrecklicher Geheimnisse, uralte Ruinen, abstoßende Monster, dunkle Magie, fremdartige Welten – Undying hat alles, was eine hochgetaktete, klassische Horrorgeschichte benötigt. Das Ganze dann aufgebohrt mit gutem Artwork, perfektem Sounddesign und reichlich Action und fertig ist – auch lange Jahre nach Erscheinung – ein gut erinnertes Stück Shooter-Geschichte.
Undying entstanden aus einem Projekt, an dem DreamWorks (im Verlauf der Entwicklung von EA übernommen) bereits einige Zeit arbeitete, ehe man den Schriftsteller Clive Barker hinzuzog, um die Story zu vervollständigen. Barker (Hellraiser, Cabal) entwickelte eine ausreichend komplexe Story, die im Spiel durch Cut Scences und zahlreiche Tagbücher und Schriftrollen transportiert wird. Oftmals angelehnt an Poe und Lovecraft: Sprünge in Parallelwelten, die in ihrer Fremdartigkeit und Düsternis an die Traumlande HPLs erinnern, und eine Familiengeschichte ähnlich abgründig wie in Poes Der Untergang des Hauses Usher.
Das genügt für eine sehr solide Basis, die mit einer Flut von Monstern (die durch Fensterscheiben springen, aus dem Boden wachsen oder an der Decke lauern) und ein paar fiesen Endgegnern untermauert wird. Um denen Paroli zu bieten, stehen Patrick eine Ladung Waffen und Zaubersprüche zur Verfügung. Revolver, Schrotflinte und Dynamit aus herkömmlicher Produktion, tibetanische Kriegskanone oder explodierende Phönixeier aus der Hexenküche. Gleichzeitig kann er Blitze oder detonierende Totenschädel verschießen, oder Untote vertreiben.
Was die Atmosphäre in Undying allerdings wirklich gelingen lässt, sind zum einen das erstklassige Sounddesign – das raue Säuseln der blutgierigen Lisbeth, das manische Lachen des gequälten Künstlers Aaron, der Gesang einer untoten Mutter, das Pfeifen des Windes, das Heulen der Monster, die Schreie der Sterbenden. Eingebettet in unheimliche Orte wie das verfluchte Landhaus, eine spinnwebverhangene Krypta, Ruinen eines alten Klosters oder dunkle Höhlen, entfaltet die Geräuschkulisse eine wahrhaft beängstigende Wirkung. Zum anderen ist es der Zauber Scrye, der es Patrick erlaubt, Dinge aus der Vergangenheit wahrzunehmen. Er sieht Geistererscheinungen im Landhaus, hört alte Gespräche, sieht plötzlich in Ölgemälden schreckliche Wahrheiten, lauscht dem Klagen und Sterben der Familie Covenant. Die Atmosphäre hat einen schon nach den ersten Schritten auf dem einsamen Landsitz gepackt.
Die vermag Undying im weiteren Spielverlauf leider nicht ganz zu halten. Es ist zwar weiterhin ein gruseliger Shooter, aber nach dem Ende der ersten beiden Geschwister offenbart das Spiel ein paar Schwächen, die es anfangs unter der brillanten Atmosphäre kaschiert hat. Die Detailverliebtheit (gerade der Scrye-Effekt) geht beinahe komplett verloren und wird nicht adäquat ersetzt. Das Gameplay entpuppt sich als linear. Laufen, schießen, Türen öffnen, Endgegner besiegen. Die Rätsel sind anspruchslos, die Laufwege aufgrund nicht vorhandener Kartenfunktion oftmals verwirrend. Das macht das Spiel phasenweise langatmig, aber dank der Stimmung nicht wirklich langweilig. Weitaus schwerer schlagen da drei Konzeptfehler zu Buche. Da ist zum einen die Dauerpräsenz von Munition und Erste Hilfe-Material an den unmöglichsten Stellen im Spiel – in geheimen Winkeln, in denen niemals irgendjemand Munition platziert hätte, in Höhlensystemen der Meuchelmörder, die doch eigentlich besser auf ihr Zeugs hätten aufpassen können, und auch noch (!) im Kloster des Jahres 1435. Welcher Leveltester hat da geschlafen?
Dann das Verhalten der wenigen Bewohner des Hauses: Das Personal bleibt völlig stoisch bei allem, was passiert. Da werden reihenweise Angestellte geschlachtet, Blut tropft von der Decke, Teile des Hauses führen in andere Dimensionen, zahllose Monster streifen umher, aber der britische Butler lässt sich durch nichts beirren, die Köchin macht weiter wie bisher (bis sie tot ist), und der Gärtner kümmert sich weiterhin um die Pflanzen, obwohl draußen ein heftiges Unwetter tobt und die Schafe von Höllenhunden zerfleischt werden. Jeremiah muss wirklich fürstliche Löhne zahlen.
Ein andere Fehler, diesmal im Aufbau der Level, ist noch eine Kategorie größer – Patrick arbeitet sich in viel Lauferei durch das alte Landhaus und sucht sich einen Wolf nach Schlüsseln für alle möglichen Räume, in denen Hinweise und weitere Schlüssel liegen. Hat er keinen Schlüssel, bleibt die Tür verschlossen (und es sind verdammt viele verschlossene Türen vorhanden), bis der Zugang im späteren Spielverlauf möglich ist. Zu. Unverrückbar zu. Man erinnere sich, dass das Leben der Bewohner auf dem Spiel steht, schreckliche Kreaturen durch die Flure hasten und aus jedem Winkel dunkle Magie tropft. Fenster splittern, ganze Hausteile lösen sich auf, aber die Türen müssen zu bleiben. Vermutlich zahlt sonst die Versicherung nicht. Wie sonst ist es zu erklären, dass Patrick sich nicht mit Gewalt Zugang verschafft? Schrotflinte, Dynamit, magische Sense, Blitzzauber – kratzt die stabile englische Bauart nicht ansatzweise.
Die Mankos hätte man mit ein paar Ideen sicherlich umgehen können, aber tatsächlich trüben sie den Spielspaß bzw. den Grusel nicht wirklich. Undying war ein wirklich guter Wurf, was ein Horrorspiel angeht. Leider waren die Verkaufszahlen nach Veröffentlichungen so mäßig (es gab auch keine deutschsprachige Version), dass ein geplanter Multiplayer-Patch, eine Adaption für Konsolen und ein mögliches Sequel nicht mehr realisiert wurden. Barker arbeitete 2007 an einem weiteren Computerspiel mit – Clive Barker’s Jericho.
Fakten
Clive Barker’s Undying
Erscheinungsjahr: 2001
Studio: DreamWorks, EA
Darsteller: Kai Vilhelmsen, Clive Barker
Drehbuch: Clive Barker
Musik: Bill Brown
Typ: Egoshooter, Horror
Zu bekommen
