Der Mond hatte Blut im Gesicht. Nachtwind kam auf und verhieß mieses Wetter. Die hohen Bäume kriegten das Zittern, wie paranoide Junkies, und das Rascheln des Laubes klang wie blödsinniges Speed-Geplapper.
Doyle Redmond ist ein Hinterwäldlerschriftsteller. Mitte Dreißig, hat er sich frei gestrampelt von seinen trüben Kindheit, ein paar Bücher veröffentlicht, ein bisschen studiert. Aber den Geruch der Ozarks kann er nicht abstreifen. Er wird immer ein Hillbilly bleiben, zu roh ist seine Natur, zu gewalttätig das Blut in seinen Adern. Als er seine Frau verlässt und dabei ihren Wagen stiehlt, zieht es ihn zu seinen Ursprüngen zurück – in die Ozark Hills, Missouri. Hier waren die Redmonds einst eine reiche Familie, bis Opa Panda sich aus einem Mord freikaufen musste. Seitdem lebt die Familie im Dreck. Doyles Bruder, Smoke, versteckt sich hier vor der Polizei, bei ihm seine Geliebte Big Annie und deren hübsche Tochter Niagra. Und die Drei spannen Doyle für einen großen Coup ein – dem illegalen Anbau von Haschpflanzen. Nur mischt sich ein anderer Hillbilly-Clan in die Sache ein, die skrupellosen Dollys. Eine Eskalation ist vorprogrammiert, denn das Redmondblut ist dazu verdammt, Unheil anzurichten.
Kommentar
Dann zielte ich auf den Dolly und leerte das Magazin des Ladystinger in seinen Rücken. Kleine Blutwölkchen spritzten hoch, so ähnlich wie die Spritzer, wenn man Pennies in einen Wunschbrunnen wirft.
Woodrells Ozark-Universum – degenerierte Hinterwäldler, verkommene Familienclans, miese Kleinstädte, Slums und ein paar Villen dazwischen. Alles von außerhalb ist fremd und stört nur. Ein Ausbruch aus diesem Gefüge kaum möglich. Die eigenen Wurzeln stecken zu tief in der Erde der Ozarks, nur ein Axthieb kann sie trennen. Das Blut selbst scheint aus den Eingeweiden der Hills zu stammen und wird dickflüssig in sie zurückkehren. Du bist, was du bist und vor allem woher du bist. Nichts kann dich davon befreien und du kehrst hier her zurück um zu krepieren. Dazwischen hast du Träume und Hoffnungen, die so regelmäßig zerplatzen, wie die Sonne aufgeht. Aber macht nichts, du kannst sie in Alkohol einlegen und mit ein bisschen Hasch reanimieren, in sternklaren Nächten hervorzerren und dich in Sicherheit wiegen, ehe die sengende Hitze dir am nächsten Morgen das Leben aus dem Leib brennt. Ozark Hills – etwas, das als Country-Noir durchgeht. Dreckig und duster und hoffnungslos.
Der amerikanische Traum wird nicht nur in den Gettos der Großstädte demontiert, nein, auf ihn wird auch im Hinterland gepinkelt. Dann jagt man ihm eine Kugel durch den Kopf und verscharrt ihn im Wald. Zumindest, wenn es nach Woodrell geht.
Fakten
Stoff ohne Ende
Originaltitel: Give Us A Kiss, 1996
Daniel Woodrell