Der Zufall mein es böse mit Whistler, dem bitteren Philosophen aus Gentry’s Coffee Shop: Durch die Begegnung mit Faye, der großen Liebe seines früheren Lebens, stürzt er in einen Abgrund von Gefühlen, von Grauen und Gewalt. Verzweifelt kämpft er gegen die schmutzigen Intrigen eines Filmmoguls, sucht in den schlimmsten Straßen von L.A. nach Fayes verlorenem Sohn und gerät in die monströsen Rituale eines satanischen Kultes. Es sieht nicht so aus, als könnte er gewinnen…
Kommentar
Vom Glanze Hollywoods ist wenig zu spüren in Robert W. Campbells Dämmerung im Glitzerland. Der wenige Glitzer, der noch zu sehen ist, sind blutbesprenkelt Pailletten, zerschlagene Champagnergläser und Heroinspritzen, in denen sich die Buchstaben der Hollywood Hills spiegeln. Der amerikanische Traum ist völlig in sich zusammengebrochen, wirft keine Hochglanzfilme mehr aus, sondern nur noch unscharfe Streifen über die Getriebenen und Verlorene in den Schatten. Bullen, die versuchen, mit dem alltäglichen Grauen klar zu kommen. Sozialarbeiter, die einen aussichtlosen Kampf führen. Straßenkinder, die keine Träume mehr haben und sich verkaufen, um die Tage mit etwas Essen und Drogen überstehen zu können. Sie treiben durch ihren Mikrokosmos aus schmutzigen Straßen, heruntergekommen Kaschemmen, Notunterkünften und billigen Hotels. Die schillernde Traumfabrik unerreichbar im Hintergrund. Nur selten berühren sich beide Welten und selbst dann werden keine Träume erfüllt, sondern bedient sich die Hollywood-Dekadenz an den Schwachen, nutzt sie für ihre ausufernden Vergnügen, um sie hernach zurück in die Gosse zu schleudern.
In diesen Schatten ist Campbells Whistler zuhause. „Vielleicht der legitimste Nachfahre der Sam Spades und Philip Marlowes früherer Jahre“, wie es im Klappentext heißt. Nur, dass nach über einem halben Jahrhundert Korruption und Schlechtigkeit alles so intensiv getränkt haben, dass kein hartgesottener Kämpfer sie mehr austreiben kann. Statt strahlendem Ritter, ist Campbells Held nur mehr ein trauriger Clown (im wahrsten Sinne des Wortes). War es Hammetts namenlosem Detektiv noch vergönnt, eine Stadt brachial zu säubern, Chandlers Marlowe noch möglich, seine antiquierten Vorstellungen von Gerechtigkeit und Ehrenhaftigkeit zu bewahren, treibt Whistler durch die alkohol- und neongetränkten Nächte, auf der Suche nach etwas, das schon lange verloren ist. Driftet zwischen den schlechten und weniger schlechten Menschen dahin. Sieht die zerborstenen Träume, die zerfledderten Hoffnungen, die in den Rinnstein gespült wurden. Inklusive seiner eigenen. Der Detektiv von Continentals, Spade und Marlowe waren zwar immer Männer der Straße, bewegten sich aber mühelos zwischen den gesellschaftlichen Schichten, zwischen den Apartments der Reichen, den halbseidenen Nachtclubs, den zwielichtigen Flüsterkneipen und den Slums, ohne ihnen wirklich anzugehören. Whistler hat diese Unabhängigkeit und diesen Schutz verloren. Er ist zu nah an der Gosse.
Fazit
Robert Wright Campbell, der selbst für Hollywood als Drehbuchautor und Schauspieler gearbeitet hat, nimmt den Leser mit auf die harte und schonungslose Seite von L.A. – schwarz, mit einer Gossenpoetik, die immer wieder an David Goodis erinnert.
Fakten
Dämmerung im Glitzerland
Originaltitel: Sweet La-La Land, 1990
Robert W. Campbell