Im Venedig des ausklingenden 19. Jahrhunderts geht der amerikanische Verleger Lewis Venable (Robert Cummings) auf die Jagd nach den verschollenen Liebesbriefen des gefeierten Dichters Jeffrey Ashton. Der Poet verbrachte einige Zeit im Palazzo seiner Geliebten Juliana Borderau (Agnes Moorhead), ehe er spurlos verschwand. Zu Venables Begeisterung lebt die über hundertjährige Borderau noch und auch die Briefe sollen sich in ihrem Besitz befinden. Eine Veröffentlichung der Liebesbriefe käme einer literarischen Sensation gleich und so mietet sich Vernable als Autor im riesigen, langsam verfallenden Stadthaus ein. Neben der verschrobenen Greisin lebt dort deren Nicht Tina (Susan Hayward), die dem Gast mit Kälte und Misstrauen begegnet. Sie beide scheinen unter der Last der Einsamkeit und ihrer Vergangenheit zu leiden. Und auch Venable wird mit jedem Schritt seiner Suche mehr und mehr in den Bann des verlassenen Hauses gezogen. Wer ist die bezaubernde Schönheit, die des Nachts im Musikzimmer erscheint? Und welches dunkle Geheimnis hütet die alte Dame?
Kommentar
Vergangenheitsbewältigung, Identitätskrise und Schuld sind die zentralen Motive des lose auf der Novelle The Aspern Papers basierende Melodrams Briefe aus dem Jenseits. Realisiert vom unabhängigen Regisseur Martin Gable für Universal, zentriert sich die Geschichte um Susan Hayward, die Gabel zum Star aufbauen wollte, wobei der finanzielle Erfolg des Films ausblieb. Die Hayward musste sich die Hauptrolle allerdings teilen – nicht mit Cummings ambivalent bleibender Figur Venable, sondern mit der langsam verfallenden Stadtvilla. Denn das Palazzo mit seinen verlassenen Zimmerfluchten, geschwungenen Treppen und uralten Möbeln entfaltet selbst eine Persönlichkeit aus dichten Schatten und flackendem Kerzenschein. Es hält die Bewohner gefangen in einem Käfig aus Vergangenheit und Erinnerungen, lässt wenig Licht und Luft herein, bewahrt die Geheimnisse in seinen Winkeln. Es ist die Inkarnation eines Spukhauses der Gothic Novel, ohne dabei von übernatürlichen Vorkommnissen beherrscht zu werden. Es hat die Tragik und Ängste seiner Bewohner aufgesogen. Und entlässt diese schließlich auch nur im Tod oder der Zerstörung.
In dieser bedrückenden Atmosphäre, in diesem Mief der Jahrhundert, ist es keine Überraschung, dass die beiden Bewohnerinnen den Verstand verloren haben, hilflos gefangen sind in einem Netz aus Erinnerungen, Sehnsüchten und schrecklichen Vergehen. Zum einen Susan Hayward, die ihre Figur gekonnt zwischen emotionaler Kälte und romantischer Verklärung pendeln lässt. Zum anderen die (meisterhaft geschminkte) Agnes Moorehead als fragile, hilflose Greisin. An ihrer Seite der glatt wirkende Cummings, dessen Figur, getrieben von einer zunehmenden Obsession für die Briefe und die verwirrende Tina, als quasi Held, der bei genauerer Betrachtung wenig Heldenhaftes an sich hat.
Fazit
Briefe aus dem Jenseits ist kein Film noir, sondern bewegt sich zwischen Gothic Novel und Melodram. Fängt gekonnt die dichte Atmosphäre des Gruselhauses auf, bleibt zumeist ruhig und sphärisch, manchmal etwas zu undramatisch, liefert aber stimmungsvolle Unterhaltung.
Fakten
The Lost Moment (1947)
Deutscher Titel: Briefe aus dem Jenseits
Alternative Titel & Arbeitstitel: –
Studio: Walter Wanger Pictures
Regisseur: Martin Gabel
Darsteller: Robert Cummings, Susan Hayward, Agnes Moorehead
Drehbuch: Leonardo Bercovici
Musik: Daniele Amfitheatrof
Basierend auf: Henry James The Aspern Papers
Zu bekommen
