Ben Harper (Peter Graves) sitzt im Gefängnis und erwartet seine Hinrichtung. Bei einem Banküberfall erschoss er zwei Angestellte und erbeutete $10.000, die er vor seiner Verhaftung noch im Haus seiner Familie verstecken konnte. Sein Zellengenosse, der Wanderprediger Harry Powell (Robert Mitchum), versucht, ihm das Versteck zu entlocken, doch vergeblich. Nachdem Harper tot und Powell wieder auf freiem Fuß ist, taucht er bei der Familie des Bankräubers auf, gewinnt das Vertrauen der labilen Witwe Willa (Shelly Winters) und heiratete sie schließlich. Doch schnell wird ihm klar, dass nur die beiden kleinen Kinder der Harpers – Pearl (Sally Jane Bruce) und John (Billy Chapin) – wissen, wo das Geld verborgen liegt. Nachdem er sich seiner Frischangetrauten entledigt hat, streckt er seine Hände nach den Kindern aus…
Kommentar
Nervenaufreibender Film noir, Märchen für Erwachsene, Schauermär im Stile des american gothic – Charles Laughtons einzige Regiearbeit The Night of the Hunter – zu Zeiten ihres Erscheinens nicht mit Begeisterung aufgenommen – ist ein eindrucksvolles, bedrückendes Kunstwerk mit deutlichen Anleihen aus den Filmtechniken des deutschen Expressionismus. Eingesponnen in eine märchenhafte Erzählung und traumähnliche Bilder entspinnt sich aus Davis Grubbs Roman in Charles Laughtens Arbeit und der seines Kameramannes Stanley Cortez ein subtiler Alptraum im Kampf eines Geschwisterpaares gegen einen psychopathischen Mörder. Robert Mitchum als singender Wanderprediger umgarnt die Bewohner der verschlafenen Kleinstadt, allen voran die labile Willa Harper, und den Zuschauer, verschleierte seine kaltblütige Skrupellosigkeit in Bibelzitaten und frommen Worten. Er ist die Inkarnation des Bösen, des Wolfs im Schafspelz, dem sich die Unschuld in Form zweier kleiner Kinder entgegenstellt. Von ihnen ist der Junge John der einzige, der die wahre Natur des Killers erahnt, aber hilflos mit ansehen muss, wie sich der gierige Wolf in die Reihen seiner Familie schleicht – seine Mutter heiratet und seine Schwester für sich gewinnt.
Das Grauen in The Night of the Hunter kommt auf leisen Sohlen daher, niemals direkt, immer angedeutet, voller dunkler Ahnung, gleich einem unaufhaltsamen Alptraum. Kameraeinstellungen und Landschaftsaufnahmen verstärken diesen irrealen Eindruck noch, in dem das Böse kein Halten zu kennen scheint. Damit bescherte uns Laughton auch gleich ein paar Bilder für die filmische Ewigkeit. Powells erstes Erscheinen am Haus der Harpers, sein Schatten vom Licht der Gaslaterne ins Zimmer von John und Pearl geworfen. Fleischgewordene Schauergeschichte. Gleich darauf seine Erzählung vom Kampf des Guten gegen das Böse – LOVE und HATE, auf seine Knöchel tätowiert:
Ah, little lad, you’re starin’ at my fingers. Would you like me to tell you the little story of right hand, left hand? The story of good and evil? H-A-T-E. It was with this left hand that old brother Cain struck the blow that laid his brother low. L-O-V-E. You see these fingers, dear hearts? These fingers has veins that run straight to the soul of man – the right hand, friends, the hand of love. Now watch and I’ll show you the story of life. These fingers, dear hearts, is always a-warrin’ and a-tuggin’, one agin the other. Now, watch ’em. Ol’ brother left hand. Left hand, HATE’s, a-fightin’. And it looks like LOVE’s a goner. But wait a minute, wait a minute! Hot dog! LOVE’s a winnin’. Yes, sirree. It’s LOVE that won and ol’ left hand HATE is down for the count.
Oder seine Ermordung der religiös verblendeten Witwe, in jener befremdlichen Dachstube, einer Theaterbühne gleich. Der Tod als göttliche Kunst, akzeptiert von Opfer und Täter, während die Kinder im Zimmer darunter in unruhigem Schlaf liegen.
Und immer so fort, ein Reigen unwirklicher Bilder, die sich in die Herzen der Zuschauer schleichen, sich darum legen und mit ihrer Berührung das Grauen bringen. Die Leiche im See, Powells Drohungen, schließlich die märchenhafte Flucht, die Verfolgung durch den Prediger. Und irgendwann endlich ein erlösender Hoffnungsschimmer in Gestalt der guten Rachel (Lilian Gish).
Fazit
The Night of the Hunter ist Pflichtprogramm für Film noir-Freunde und Cineasten. Warum es 1991 ein Remake gab (Regisseur David Greene, mit Richard Chamberlain als Harry Powell), wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben. Das Original ist nicht zu toppen.
Links
The Night of the Hunter Erschöpfende englischsprachige Zusammenfassung von Tim Dirks.
Fakten
Deutscher Titel: Die Nacht des Jägers
Alternative Titel & Arbeitstitel: –
Studio: United Artists
Regisseur: Charles Laughton
Darsteller: Robert Mitchum, Shelly Winters, Lillian Gish, Billy Chapin, Peter Graves
Drehbuch: James Agee
Musik: Walter Schumann
Basierend auf: Davis Grubbs Night of the Hunter