Eine der großen Selbstverständniskrisen der USA nach dem Zweiten Weltkrieg, lange vor Vietnam und Watergate, stand im Zeichen des so genannten McCarthyismus. Damit sind die skandalösen Vorgänge einer öffentlichen Gesinnungsüberprüfung gemeint, die seit 1947 vor allem vom berüchtigten “Untersuchungsausschuss für unamerikanische Aktivitäten” (HUAC) inszeniert und dabei besonders von Senator McCarthy mit demagogischen Akzenten versehen wurden. Mit welchen Methoden der Inkriminierung und Einschüchterung viele vermeintliche und nur wenige wirkliche (meist frühere) Kommunisten vor einer ganzen Nation an den Pranger gestellt worden sind, das konnte man bei uns bisher nur einmal ausführlich nachlesen, und zwar im vierten Band von Margret Boveris Standardwerk “Der Verrat im 20. Jahrhundert). Ansonsten war hierzulande von den Tribunalen, vor denen namhafte Schriftsteller, Regisseure und Schauspieler öffentlich ihre Unschuld beteuern und ihre Freunde bezichtigen sollten, zum Zeitpunkt ihres Stattfindens nicht viel die Rede: Der Kalte Krieg ließ es opportun erscheinen, die hysterische Jagd auf Andersdenkende in Amerika mit Stillschweigen zu übergehen, ungeachtet der auch damals schon bekannten Tatsache, dass zumeist dubiose politische Karrieristen mit fragwürdigen Mitteln und häufig fingierten Materialien das angeblich patriotische Amt eines Gesinnungsdetektors ausübten. (Der spätere Präsident Richard Nixon begann seine Laufbahn als Vernehmer in einem dieser Ausschüsse.)
[…] Die vorliegende Auswahl von Verhörprotokollen versucht die Atmosphäre der Zeit, die plumpe bis hinterhältige Praktik der Befragung und die zwiespältige bis standfeste Haltung der Zeugen einzufangen.
Die Auswahl umfasst u.a. Auszüge aus Verhörprotokollen von:
- Howard Fast
- Bertolt Brecht
- Dashiell Hammett
- Lillian Hellman
- Ronald Reagen
- Walt Disney
- Edward Dmytryk
Desweiteren Anhörungen von Lehrern und Gewerkschaftsmitgliedern. Jedem Protokol ist ein erläuternder Text zur Situation und bertroffenen Person vorangestellt.
Kommentar
Die Hollywood-Hearings stehen natürlich klar im Fordergrund des Interesses – allerlei berühmte Namen aus der SilverScreen-Ära. Aber sie machen nur einen Teil der Hexenjagd aus, die vor Schulen, Radio, Ämtern und schließlich sogar dem Militär nicht Halt machte. Auch dafür finden sich Verhörprotokolle – vom Zeugen J. Edgar Hoover (damals Chef des FBI), dem Liberalen James A. Wechsler, Hearings zur Situation der Schulen und der Gewerkschaften. Nur ein kleiner Auszug aus Zehntausenden von Protokollseiten, die das HUAC, die SISS und andere Ausschüsse angesammelt haben.
Ein faszinierender, bedrückender Einblick in eine dunkle Epoche der jüngeren amerikanischen Geschichte.
Auszug aus dem Hearing der Schriftstellerin Eslanda Robeson, 07. Juli 1953, Ständiger Unterausschuss für Ermittlungen des Ausschusses für Regierungsangelegenheiten, Vorsitz Joseph R. McCarthy:
Matthews: Waren Sie an der Arbeit des Civil Rights Congress beteiligt?
Robeson: Nun, ich habe vor ein paar Wochen in Detroit eine Rede für den CRC gegen den McCarthyismus gehalten.
Matthews: Unter der Schutzherrschaft des CRC?
Robeson: Ja.
Matthews: Ist das Ihrem Verständnis nach eine kommunistische Organisation?
Robeson: Nein.
Matthews: Als Sie in Detroit unter der Schutzherrschaft des CRC Ihre Rede hielten, waren Sie da Mitglied der Kommunistischen Partei?
Robeson: Das beantworte ich nicht unter dem Schutz des fünften und des fünfzehnten Zusatzartikels.
McCarthy: Ich habe die Antwort der Zeugin nicht mitbekommen. Sie hielt eine Rede über den was?
Matthews: Sie hielt in Detroit eine Rede über den McCarthyismus unter der Schutzherrschaft des CRC. Sie hat nicht gesagt, ob sie dafür oder dagegen war.
Robeson: Dreimal dürfen Sie raten.
Fakten
Sind oder waren Sie Mitglied?
Originaltitel: Sind oder waren Sie Mitglied? Verhörprotokolle über unamerikanische Aktivitäten 1947 – 1956, 1979
Herausgegeben von Hartmut Keil
Amerika in den 50ern, McCarthy
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