Dem Gangster Ralph Cotter gelingt mit Hilfe der hübschen Holiday die Flucht von einer Gefängnisfarm, wobei er kaltblütig seinen Partner beim Ausbruch, Holidays Bruder, und einen Wärter niederschießt. Kaum in Sicherheit, beginnt Cotter bereits mit neuen Raubzügen, bei denen ihm ein Menschenleben nicht viel bedeutet. Doch als ihm unversehens belastendes Material über einen Inspektor in die Hände fällt, steigt seine Gier noch. Cotter will das große Geld. Zusammen mit dem zwielichtigen Anwalt Mandon, Holiday und dem Gangster Jinx reißen sie sich brutal das Schutzgeld einer Gangsterband unter den Nagel.
Und dann, nach einer heftigen Romanze mit der geheimnisvollen Margaret, öffnen sich für Cotter ganz neue gesellschaftliche Wege. Wären da nur nicht die Schatten der Vergangenheit …
Kommentar
McCoys umfangreichster Roman noir, die Erfolgsgeschichte des skrupellosen, psychopathischen Verbrechers Ralph Cotter. Ein schmutziges Stückchen kapitalistischer Traum – angefüllt mit verkommenen, habgierigen Individuen, die sich mit Gewalt und Verbrechen durch eine amerikanische Großstadt fräsen. Allen voran der sadistische, arrogante Cotter (mit Universitätsabschluss), gefolgt von einer hysterischen Nymphomanin, einem verräterischen Hehler, gefährlichen Handlangern, korrupten Bullen, einem abgehobenen Esoterikarzt, einer durchgeknallten Millionenerbin und einem schmierigen, perversen Anwalt. Nicht eine Figur in diesem Mikrokosmos, die zur Identifizierung einlädt. Jeder ist durch und durch korrupt … oder wird es im Verlauf des Romans. McCoy liefert die Fortführung eines Gangsterepos a la Burnett, nur sind seine Figuren unweit fieser (realer), als die seines Zeitgenossen, sein Universum schwärzer – bar jeglicher Moral und Freundlichkeit. Es ist eine beschissene Welt, also mach das Beste daraus – egal mit welchen Mitteln. Raub, Erpressung, Mord – das innere, unlöschbare, schwarze Feuer für ein paar Momente besänftigt mit Geld und Sex. Es ist ein Trip über den Abgrund, der – entsprechend den Grundsätzen des Roman noir – nur mit dem Untergang des Protagonisten enden kann. Nicht, dass das die Welt auch nur ein Quäntchen besser machen würde. Was bleibt, ist das Wissen, dass alles so scheiße ist wie bisher. Ein Darsteller tritt ab, aber in die lange Schlange der Missratenen, Habgierigen, Verlorenen wartet schon der nächste Bewerber.
McCoys vierter Roman wurde zwei Jahre später, 1950, unter dem Titel Kiss Tomorrow Goodbye verfilmt. Und wer könnte einen sadistischen Psychopathen auf der Leinwand besser darstellen als James Cagney?
Fakten
Schatten der Vergangenheit
Originaltitel: Kiss Tomorrow Goodbye, 1948
Horace McCoy