Hochsommer in New York. Auf dem Landsitz des reichen Rudolph Stamm, eingeschlossen von dichtem Wald und Felsklippen, bietet sich bei diesen Temperaturen ein erfrischendes Bad im hauseigenen Pool an. Im Volksmund wird das natürliche Schwimmbecken auch Drachenteich genannt. Und daran knüpft sich die unheimliche Indianer-Legende um einen geheimnisvollen Schutzgeist, dem angeblich immer wieder Feinde des Hauses Stamm zum Opfer gefallen sind. Als der arrogante Sanford Montague bei einer Party ins kalte Nass hüpft, ist es sein letzter Sprung. Denn weder die entsetzten Gäste, noch die hinzugezogene Polizei können Montague herausfischen. Er ist verschwunden und es gibt keinerlei Spuren, wohin. Das ist selbst für Superdetektiv Philo Vance eine harte Nuss. Denn je tiefer er bohrt, desto wahrscheinlicher wird die Präsenz eines übernatürlichen Wesens. Ein mordlustiger Drache geht um.
Kommentar
Philo Vance, die amerikanische Fassung eines Holmes oder Wimseys, ist mit seiner kaltschnäuzigen Rationalität prädestiniert dafür, einen scheinbar übernatürlichen Mordfall Stück für Stück zu entmystifizieren. Zudem passt er mit seiner aufgeblasenen, reichlich überheblichen Art auch wunderbar in das degenerierte Figurenspiel auf dem Stamm-Landsitz. Denn da geben sich der überspannte Hausherr, seine irrsinnige Mutter, ein mysteriöser Hausfreund, eine hysterische Tochter und diverse Gäste, die sich aufs Blut nicht leiden können, ein Stelldichein. Gesteigert wird die aufgeladene Atmosphäre noch durch alte Indianer-Mythen und unerklärliche Vorfälle. Doch einer wie Vance, der hier in seinem siebten Roman ermittelt, lässt sich von alledem nicht beirren und besticht durch knallharte Faktenanalyse und nervt durch einen schier unermesslichen Wissenshorizont auch noch zu den unwahrscheinlichsten Gebieten (Drachen, Zierfische, Dschungelexpeditionen). Das macht so viel oder wenig Spaß, wie ein Hörspiel der ??? – denn beinahe genauso fühlt sich das Rätsel um den Drachenteich an. Geheimnisvolle Kreatur, unheimlicher Landsitz, schräge Charaktere. Philo ist hier der Justus Jonas der 30er Jahre, nur das der erste Detektiv um einiges sympathischer daherkommt.
Fazit
Stabile, aber keine herausragende Krimikost.
Fakten
Der Mordfall Drachen (Mordakte Drachensee, Der Drachenteich)
Originaltitel: The Dragon Murder Case, 1933
S.S. van Dine