Schuld sind immer die anderen. Das ist das Lebensmotto des in die Jahre gekommenen Fremdenführers und Schleppers Arthur A. Simpson. Seien es die Lehrer in der Schule mit falschen Betrugsvorwürfen, seine Mutter mit einer verkorksten Erbschaft, die Polizei mit einer völlig verfehlten Auffassung von Kunst (lies Pornografie) oder gar der gesamte britische Staat, der ihm seine Staatsbürgerschaft einfach nicht anerkennen will. Da ist es nur gerecht, wenn Arthur sich hier und da mit ein paar halbseidenen Aktivitäten etwas Geld in die Tasche wirtschaftet. Daher kann man es Arthur nun auch wirklich nicht ankreiden, dass er einem Touristen namens Harper dessen Reiseschecks stiehlt. Denn der Mann ist zum einen ein wirklich unsympathischer Kerl und zum anderen naiv, sein athener Hotelzimmer ungesichert zu lassen. Dass er den guten Arthur dabei ertappt, verprügelt und schließlich zu einer obskuren Autoüberführung erpresst, ist ungerecht und gleichzeitig der Beginn eines viel größeren Schlamassels.
Wäre Harper nicht gewesen, wäre all das nie passiert. Aber so findet sich Simpson zwischen türkischen Geheimdienstlern und skrupellosen Gangstern wieder. Die einen wollen gefährliche Terroristen ausheben, die anderen einen waghalsigen Coup durchziehen. Und alle erpressen sie den guten Arthur zum Mitmachen. Und ein kleinwenig hat der auch noch mit seiner eigenen Gier zu kämpfen. Um lebend aus der Sache rauszukommen, muss Simpson sich zu ungeahnten Höhen aufschwingen. Und das ist eine seiner größten Ängste.
Kommentar
Topkapi ist wohl der bekannteste Roman Amblers, was sicherlich auch der 1964er Verfilmung von Jules Dassin zuzuschreiben ist. Wer hat beim Namen Topkapi nicht sofort Peter Ustinovs schwitzendes Gesicht in Technicolor vor Augen? Oder den Edelstein besetzten Dolch von Sultan Mahmud I.? Oder Dassins Ehefrau Melina Mercouri als Miss Lipp? So fällt es nicht ganz einfach, sich bei der Lektüre gänzlich von der Filmadaption zu lösen, obwohl es zwischen beiden einige Unterschiede gibt.
Amblers auf den Punkt gebrachter Stil, mit einem leicht ironischen Unterton an den Seitenrändern, begleitet einzig und allein Arthur auf seinem (Leidens)Weg. Der ist schon in die Jahre gekommen, körperlich weit von fit (was ihm völlig bewusst ist) und in dauernder Angst um seine eigene Sicherheit gefangen. Arthur leidet durchgehend und lamentiert darüber, kleine Erfolge verspielt er, aber natürlich ist das nicht sein Verschulden. Nichts ist wirklich sein Verschulden. Das wird schon in den wiederkehrenden Erinnerungen an seine Vergangenheit deutlich, vor allem an sein Zeit im britischen Schulsystem. Was um ihn herum gespielt wird, erahnt er erst spät, bis dahin bleibt er den Mächten um sich ausgeliefert. Weit entfernt vom klassischen Helden.
Stichwort Antiheld – der gerade von Martin Compart herausgegebene Spionagethriller Es gibt keine Wiederkehr von John Mair weist in seinem Protagonisten Desmond Thane, einem der frühesten Antihelden im britischen Spionageroman, ein paar markante Parallelen auf. Beide sind Journalisten, beide lügen wie gedruckt, beide sind maßlos von ihrer eigenen Wahrheit überzeugt, bis eine andere, passende daher kommt. Und am Ende sind beide gefangen in ihrer eigenen Zwischenwelt. Keine Erlösung, keine Konsequenzen.
Ambler gelingt es, seinen Protagonisten anzusiedeln zwischen Sympathie und Mitleid, und Simpsons Entwurzelung und mangelnde Zugehörigkeit spürbar zu machen. Er gehört nirgends wirklich hin, ist staatenlos, ohne Freunde und ohne wirkliche Verbündete. So treibt es ihn von einem Ort zum nächsten, erfüllt von einer nagenden Unruhe, die sich in den wechselnden Schauplätzen und Arthurs beständiger Bewegung als Chauffeur spiegelt. Dazu die Hitze Griechenlands und der Türkei, das Flair des alten Istanbuls.
Das alles vermischt sich zu einer angespannten, drückenden Stimmung, die am Ende in einen der bekanntesten Coups der Kriminalliteratur und Filmgeschichte mündet.
Mit Schmutzige Geschichte (Dirty Story – A Further Account of the Life and Adventures of Arthur Abdel Simpson) ließ Eric Ambler seinen Protagonisten Arthur 1967 noch einmal dem großen Glück nachjagen.
Fazit
Großartiger Roman und Klassiker der Kriminalliteratur.
Fakten
Topkapi (Im ersten Morgenlicht)
Originaltitel: The Day of Light, 1962
Eric Ambler